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NetzwerkForum HandelsLogistik - Rezession, Resilienz und Innovation

Der Einladung von Kompetenznetz Logistik.NRW, der Handelsverband NRW e. V. und der Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW e. V. (VVWL) waren rund 70 Entscheiderinnen und Entscheider aus dem Umfeld der Handelslogistik gefolgt.

Dr. Oliver Breiden, Leiter Referat Handel, Dienstleistungen und Logistik im Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz des Landes NRW, grüßte von Ministerin Neubauer: „Für den Lkw muss Infrastruktur funktionieren“, betonte er und machte am Beispiel E-Commerce das Ausmaß gestiegener Nutzung deutlich: „15 Millionen Pakete jeden Tag in privaten Haushalten sind ein echter Stresstest für Infrastruktur und – nicht zuletzt auch durch die schiere Menge der Verpackungen – für die Umwelt.“ Als konkrete Unterstützung der Logistikbranche nannte er die Förderung des Kompetenznetzes Logistik.NRW, welche für weitere drei Jahre verlängert wurde, damit die Branche weiterhin ihre eigenen Lösungen nach vorne bringen könne. Darüber hinaus würden mit dem Förderprogramm ‚Bewegt in NRW‘ konkrete Maßnahmen – seien sie digital oder technisch – unterstützt.

Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Düsseldorf, begrüßte als Gastgeber: „Handel ist der Dreh- und Angelpunkt zwischen Erzeugern und Endverbrauchern.“ Die Logistik sei in diesem Zusammenhang ein wichtiger Partner des Handels. Diesbezüglich beschäftige die Industrie- und Handelskammer derzeit besonders die Frage, wie Menschen motiviert werden könnten, die Innenstädte zu besuchen und quasi nebenbei den stationären Handel zu nutzen.

Ralf Düster, Vorstand Setlog Holding AG und Vize-Präsident des LOG-IT Club e. V. freute sich, dass nach Jahren digitaler Veranstaltungen wieder in Präsenz getagt werden kann, da insbesondere im Netzwerken Lösungen geschaffen und Kontakte geknüpft werden können. „Die Logistik hat im Handel Herausforderungen zu bewältigen, welche unserer Vorgänger-Generation völlig unbekannt waren, wie beispielsweise das Handling der Retouren“, betonte er. Dabei sei eine wichtige Aufgabe des LOG-IT Clubs, alle Akteure entlang der Logistikkette an einen Tisch zu bringen und im Netzwerk Lösungen für die Logistik zu finden.

Unter der Überschrift „Wege zur Resilienz in der Rezession – Konzepte, Chancen und Grenzen“ hielt Arnd Stoehr, CSO/CMO METRO LOGISTICS Germany GmbH einen Impulsvortrag. Danach diskutierten Andreas Gessner, Supply Chain Management, DEICHMANN SE, Lars Purkarthofer, Verbindungsbüro / Public Affairs Germany, United Parcel Service Deutschland S.à.r.l. & Co. OHG, Norbert Redemann, Gf. Gesellschafter Norbert Redemann KG / 1. stv. Vorsitzender Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW e. V. (VVWL) sowie Arnd Stoehr CSO/CMO METRO LOGISTICS Germany GmbH.

Arnd Stoehr berichtete von den Veränderungen der Metro-Gruppe, die sich auf die Cash&Carry-Märkte konzentriert hat. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Metro Logistics, die Ende 2020 als eigenständig operierendes Logistikunternehmen in den Markt gestartet war. „Fahrer- und Fachkräfte-Mangel und Corona-Pandemie, anhaltend angespannte Lieferketten und letztendlich auch der Ukraine-Krieg hat die Notwendigkeit deutlich gemacht, stärkere Resilienzen in den Lieferketten zu schaffen.“ Erhöhung der Lagerbestände, Diversifizierung der Lieferantenstruktur und die kontinuierliche Analyse der Lieferketten seien natürlich erste Antworten auf diese Herausforderung, insbesondere sei jedoch eine Lösung in der Digitalisierung zu suchen. So sei durch den Einsatz von KI und verstärkter Automatisierung und verstärkter Kooperation aller Akteure eine Effizienzsteigerung erreichbar. Dazu sei auch eine transparente IT-Infrastruktur bei den Logistik-Dienstleistern erforderlich. Seiner Ansicht nach reiche es nicht aus, nur über klassische Themen wie Bestandserhöhung eine Lösung zu suchen, Kooperation und Austausch wären eher geeignet, auch zukünftige Themen, wie beispielsweise eine sich verstärkende Rezession, anzugehen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion unter Moderation von Peter Abelmann, Manager Kompetenznetz Logistik.NRW, stellten auch Norbert Redemann, Andreas Gessner und Lars Purkarthofer ihre Standpunkte vor. Lars Purkarthofer betonte, dass Logistik extrem kooperativ sei, was auch in den vergangenen drei Jahren die Auswirkungen der Krisen abgemildert habe. Dabei sei die Suche nach Lösungen „ein nie abgeschlossener Prozess, denn Herausforderungen werden nicht weniger, sie verändern sich lediglich.“ Er unterstrich, dass gerade bei elektrischer Mobilität noch sehr viele Anstrengungen erforderlich seien. Im Fernverkehr schwerer Lkw seien momentan erst Reichweiten bis 250 Kilometern erzielbar, der namhafteste Anbieter batterieelektrischer Fahrzeuge bis 7.5 t produziere im laufenden Jahr gerade einmal 1.000 Lkw.

Angesichts zahlreicher in der Vergangenheit bewältigter Krisen war Arnd Stoehr zuversichtlich, dass auch diese Krisen überstanden werden können. Allerdings betonte er, dass die derzeit aufgebauten höheren Bestände auch höhere Kosten verursachten. Dies werde nach Bewältigung der Krisen vom Markt reguliert werden. Resilienz und Nachhaltigkeit schließen sich für Arnd Stoehr nicht aus, so senkten beispielsweise Energieeinsparungen gleichermaßen die Kosten- und die Klimaauswirkungen.

Andreas Gessner legte einen Fokus auf die Personalentwicklung: „Mit 42.000 Mitarbeitenden in 32 Ländern hat uns sehr bewegt, trotz Lockdowns im stationären Handel und Überstunden in der Logistik zu verdeutlichen, dass unsere Arbeitsplätze sicher sind.“ Hinsichtlich der Inflation betonte er, dass in den derzeitigen Preisrunden Personalkosten nicht zu größeren Diskussionen führen dürften: „Letztendlich sind unsere Dienstleister unsere Partner, auf die wir uns auch morgen noch verlassen können müssen. Bei anderen Indizes schauen wir jedoch sehr genau hin, ob diese in der branchenbezogen richtigen Relation zum Preis eingebracht werden. Schließlich müssen wir unseren Kunden auch weiterhin attraktive Preise bieten.“ Dabei betonte er die Einzigartigkeit der Situation, in welcher sein Handelsunternehmen externe Lagerflächen in nicht gekanntem Ausmaß hinzumieten musste. Die derzeit hohen Bestände würden in der kommenden Sommersaison voraussichtlich wieder reduziert werden. Das Hauptproblem bei der Suche nach Innovationen sei insbesondere die fehlende Zeit. Die Gültigkeit heute gefundener Lösungen nehme in dieser schnelllebigen Zeit rapide ab. Wichtig sei es, Ziele deutlich vor Augen zu haben und auch mit den Mitarbeitenden zu kommunizieren.

Norbert Redemann machte deutlich, dass durch die hohe Volatilität der Bestellungen eine größere Herausforderung in der Logistik entstanden sei. Zeitgleich gebe es immer noch zahlreiche Rampen, bei denen das Lkw-Personal als Ladehilfe eingesetzt werde. Dies würde vom Fahrpersonal immer weniger toleriert. Bereits heute gebe es Fahrer, die Touren zu bestimmten Entladestellen ablehnten. Für einen echten Umbruch z.B. durch alternative Antriebe seien die Logistiker auf eine funktionierende Tank- und Lade-Infrastruktur angewiesen; dass diese bis 2030 in bedarfsgerechtem Ausmaß zur Verfügung stehe, werde eine große Herausforderung für die kommenden Jahre.

Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass die Resilienz in den kommenden Jahren durch Kooperation und Digitalisierung zwar zunehmen werde, ob dies jedoch für eine Versorgungssicherheit ausreiche, lasse sich nicht antizipieren.

In einer zweiten Sequenz „Innovation in der Rezession“ ging Andreas Kruse, Direktor Geschäftsentwicklung, EHI Retail Institute, in seinem Impulsvortrag auf die Innovationen ein, welche die jüngsten Krisen der Logistik und dem Handel abgenötigt haben. Dazu zählte er insbesondere den zunehmenden Einsatz automatisierter Systeme im Lagerbereich und sogar von dispositiven und planerischen Aufgaben. Auch der E-Commerce habe starke Auswirkungen auf innerstädtische Logistiklösungen, wie beispielsweise eine kundennahe Lagerung von Waren in Ladengeschäften als Hubs. Insgesamt rücke durch die aufeinander folgenden Krisen die Resilienz der Logistik in den Fokus, gleichzeitig steige auch deren Bedeutung und Sichtbarkeit.

In der zweiten, ebenfalls von Peter Abelmann moderierten Podiumsrunde diskutierten neben Andreas Kruse auch Sebastian Borak, Leiter Logistik/Prokurist Babymarkt.de GmbH, Ralf Düster und Dr. Christian Jacobi, Geschäftsführender Gesellschafter Agiplan GmbH.

Sebastian Borak betonte, dass jeder Prozess auf Optimierungsmöglichkeiten kontinuierlich überprüft werden muss und für die Innovationen auch ein entsprechendes Budget vorhanden sein muss – auch um mögliche Fehler bei der Entwicklung auszugleichen. Noch sei menschliche Arbeitskraft oft günstiger als automatisierte Systeme, sofern Personal denn verfügbar sei. Nachhaltigkeit sei nicht nur eine Frage der Produktion, vielmehr müsse auch auf Verpackung und auch auf soziale Komponenten geachtet werden. Vieles sei nur in kleinen Schritten lösbar.

Dr. Christian Jacobi und Ralf Düster machten deutlich, dass die Ganzheitlichkeit der Logistikkette zur Schaffung partnerschaftlicher Prozesse zu betrachten ist. Dr. Christian Jacobi machte deutlich, dass ein großer Bedarf an Optimierung in den Unternehmen bestehe, die dazu notwendigen Investitionen jedoch häufig durch die stark gestiegenen Kosten einen Dämpfer erhielten. Ralf Düster bestätigte den gestiegenen Willen zur Innovation und Digitalisierung, oftmals fehle es jedoch an Fachkräften, um entsprechende Projekte zu planen und umzusetzen. Größere Unternehmen würden künftig durch das Lieferkettengesetz zu mehr Verantwortung für ihre Produkte verpflichtet. Ralf Düster hob hervor, dass die Verzahnung in der Logistik noch enger werden muss, um mit bestmöglichem Datenaustausch den größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Dr. Christian Jacobi ergänzte, dass hinsichtlich der Digitalisierung in vielen Unternehmen noch immer erheblicher Nachholbedarf bestünde. Vieles sei bereits umgesetzt, dennoch sind für Innovationen immer noch Investitionen erforderlich. Durch geringere Margen in der Logistik werde der Innovationsprozess darum erschwert.

Andreas Kruse betonte, dass robotische Lösungen erst durch die kürzliche Entwicklung von KI und gestiegene Rechenleistung niederschwellig und flexibel einsetzbar sind.

Einig waren sich die Teilnehmer, dass die Logistik innovative Wege gefunden hat, um mit den jüngsten Krisen umzugehen, gleichzeitig jedoch auch künftig stets neue Innovationen gebraucht werden und der Innovationsprozess niemals abgeschlossen sein kann.