VVWL Logo
Zur Artikel-Übersicht

TransportLogistik-Forum: KI als Game Changer in der Logistik?

KI als Game Changer in der Logistik? – Erstes NetzwerkForum Transportlogistik stößt auf großes Interesse

Über 50 Entscheiderinnen und Entscheider aus der Logistikbranche sind der Einladung des vom Log-IT Club e.V. und dem Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW (VVWL) getragenen Kompetenznetzes Logistik.NRW gefolgt, um beim ersten TransportLogistik-Forum zentrale Zukunftsfragen der Branche zu diskutieren. Künstliche Intelligenz, alternative Antriebe, Fahrermangel und geopolitische Unsicherheiten standen im Mittelpunkt der Veranstaltung, die bei Timocom in Erkrath stattfand.

Begrüßung und Auftakt

Dr. Christoph Kösters (Hauptgeschäftsführer VVWL und Manager Kompetenznetz Logistik.NRW), Sebastian Lehnen (Mitglied der Geschäftsführung der Timocom GmbH) und Peter Abelmann (Geschäftsführer Log-IT Club und Manager Kompetenznetz Logistik.NRW) eröffneten die Veranstaltung. Lehnen betonte, dass KI keine Zukunftsvision mehr sei, sondern bereits heute den Arbeitsalltag erreiche. Timocom implementiere KI zunehmend in sein Leistungsspektrum. Dr. Kösters hob hervor, dass das Forum konkrete Anwendungen statt Schlagworte diskutieren werde, um KI sinnvoll und praxistauglich in der Transportlogistik zu verankern.

KI in der Logistik – Neue Welt und Game Changer?

Robert Kokott (pacemaker.ai / thyssenkrupp Materials) verglich den digitalen Wandel mit der Umbruchphase zwischen vorindustrieller Gesellschaft und automatisierter Ökonomie. 78 % der in einer Studie befragten Unternehmen nutzen bereits KI. Dabei geht der Einsatz schon jetzt weit über das reine Verfassen von Texten hinaus; so seien Bedarfe prognostizierbar, Wartungsaufgaben vorausschauend planbar und selbst Leckagen und Druckluftverluste vermeidbar. Allerdings würden in der deutschen Industrie bislang auch über die Hälfte aller KI-Projekte scheitern, insbesondere aufgrund fehlender Fachkenntnisse, unklarer Datenlage, organisatorischer Widerstände, fehlender Ressourcen und auch unklarer Ziele und Business Cases. „Erfolgreiche Einführung von KI benötigt klare Ziele und eine Auseinandersetzung mit den vorliegenden Daten, der Organisation und auch mit den Mitarbeitenden“, schloss Kokott.

Sebastian Heise (COO, Graphmasters GmbH) unterstrich, dass durch demografischen Wandel Personal fehle, während der Konsum stabil bleibe. Um den zu begegnen, müssten Prozesse automatisiert werden, beispielsweise in Form einer optimierten Disposition, die in naher Zukunft in einer robotikgestützten Verladung und autonomer Zustellung münden wird. Tourenplanungstools gehörten zwar schon zur Realität, um jedoch auch das „Bauchgefühl“ einer guten Dispositionsleitung digital umzusetzen, sei auch eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle, Überstundenkonten, persönlichen Präferenzen etwa in Hinblick auf Strecken oder Kunden erforderlich.

Gunnar Gburek (Head of Business Affairs, Timocom GmbH) sprach über ein KI-gestütztes Perfect-Match-System zur dynamischen Vermittlung von Fracht und Kapazitäten. Während für die Transportplanung und -Organisation, der Überwachung und Dokumentation durchaus schon Tools vorhanden seien, sei die Durchführung noch größtenteils analog. Zukünftig werde KI wie ein selbstlernender Disponent Nachfrage und Angebot in Echtzeit erkennen, sinnvolle Kombinationen vorschlagen, individuelle Kundenpräferenzen berücksichtigen und automatisch die Kosten minimieren.

David Moog (ebenfalls Timocom) stellte dazu ein Pilotprojekt vor, in dem KI-Agenten eingehende Kundenanfragen analysieren, Frachtangebote veröffentlichen und mit passenden Dienstleistern verhandeln. Gerade bei interessanten Angeboten auf dem Timocom-Marktplatz können dutzende Anfragen per Mail in der Disposition eintreffen. Diese Aufgaben werden gerade in dem Projekt so weit automatisiert, dass dem Disponenten ein abschlussfähiges Angebot vorgelegt wird, wenn alle Kernkriterien vom Dienstleister erfüllt werden.

Martin Friedrich (Fraunhofer IML) präsentierte die Plattform Omnistics, die modular durch intelligente Prognosen, automatisierte Analysen und adaptive Assistenzsysteme die gesamte Supply Chain von der Planung bis zur operativen Umsetzung verbessere. Durch vorausschauende Mengen- und Transportkostenprognosen lassen sich nicht nur Preismodelle und Ressoucenplanungen präzise voraussagen und so Risiken minimieren. Rampenplanungen können mit einer exakten Ankunftszeit und auch Lagerplätze aufgrund von Bestellkorrelationen (so werde beispielsweise das Erkältungsbad wird oft mit dem Erkältungstee gekauft) optimiert werden. Auch Fragen des Fahrpersonals werden bezogen auf die individuellen Firmengegebenheiten multilingual beantwortet.

Roland Moussavi (Aparkado) erläuterte das Vorgehen von Aparkado, um den Berufsalltag von Lkw-Fahrern zu verbessern, indem digital der Parkplatzkrise entgegengewirkt werden soll. Mit einer kostenlosen App werden nicht nur momentan verfügbare Parkplätze angezeigt, sondern aufgrund der vorhandenen historischen Daten auch freie Parkplätze prognostiziert. Durch die soziale Einbindung der Nutzer wird dieser Prozess weiter präzisiert.

Podiumsdiskussion: KI – ein Game Changer?

In der ersten Podiumsrunde diskutierten Kokott, Heise und Gburek unter Moderation von Dr. Kösters, ob KI wirklich ein Game Changer sein kann. Kokott betonte, dass es einen klaren Business Case geben müsse, bei dem Kosten und Nutzen durchkalkuliert werden müssten. Das neue Thema KI bringe jedoch gerade hier Unsicherheiten, ob die Erwartungen tatsächlich realisiert werden könnten, was zu Investitionszurückhaltungen führe. Heise pflichtete ihm bei. Gburek betonte, dass die Implementierung von KI nicht nur eine finanzielle Frage sei, sondern auch mit oft fehlenden zeitlichen Ressourcen einher gehe. Heise schilderte, dass Vorbehalte gegen eine Implementierung von KI oft nicht auf überlegten Gründen beruhen, sondern vielmehr auf Ängsten, beispielsweise dem Verlust von Arbeitsplätzen. Diese Befürchtungen müsse man zerstreuen, beispielsweise sei auch ein Akkuschrauber eine Automatisierung gegenüber dem analogen Schraubenzieher. Dennoch sei nach seiner Markteinführung kein Anstieg der Arbeitslosigkeit beim Handwerk beobachtbar gewesen. Ein gravierender Wechsel in der Berufslandschaft sei zu erwarten, wenn Künstliche Intelligenz vollständig selbstlernend werde. Diese Entwicklung wird sich in Sprüngen vollziehen und nicht präzise zeitlich vorhersagen lassen. Gburek vertrat die Auffassung, dass die operative Logistik auch in fünf Jahren menschengestützt bleiben werde, allerdings würden durch die KI zahlreiche Entscheidungshilfen bereitgestellt werden, die das Planen und Steuern deutlich vereinfachen werden.

Sicherheitspolitischer Impuls durch die Bundeswehr

Oberst i.G. Armin Schaus (Deutsche Bundeswehr) berichtete über den Operationsplan Deutschland. Auch wenn Deutschland kein „Frontstaat“ sei, sei die Bundesrepublik täglich Bedrohungen ausgesetzt – angefangen bei Fake News über Cyberangriffe, Ausspähung und Sabotage bis hin zu herbeigeführten Unfällen. Im Verteidigungsfall würde Deutschland zur logistischen Drehscheibe sowohl für die Mobilität der Alliierten Kräfte zum Einsatz an einer Front, als auch für die Rückführung verwundeter oder gefallener Soldatinnen und Soldaten sowie Kriegsgefangener. Fahrpersonal wäre von einer kriegerischen Auseinandersetzung besonders betroffen, da über 60 Prozent des Fahrpersonals auf deutschen Lkw einen baltischen oder polnischen Pass besäßen und in ihrem Heimatland im Verteidigungsfall zum Wehrdienst herangezogen würden.

Podiumsdiskussion: Zukunft der Transportlogistik

Gunnar Gburek, Sandra Jachmann (Erich Jachmann Spedition EJS GmbH & Co. KG), André Wessels (August Wessels GmbH) und Jens Bußmann (Bussmann Service GmbH & Co. KG) diskutierten unter Moderation von Peter Abelmann über konkrete Praxisfragen. Jachmann bekräftigte, dass KI gerade für die Logistik eine echte Unterstützung sein kann. Bußmann bestätigte das, erste Anwendungen konnten bereits über ChatGTP erstellt werden, wichtig sei jetzt eine schnelle Implementierung möglicher Hilfen durch die Anbieter der Speditionssoftware. Zur Antriebswende kommentierte Bußmann, dass sein Unternehmen seit Jahren auf elektrifizierte Pkw setze, der Einstieg in die elektrische Gütermobilität werde derzeit noch erschwert durch die Verfügbarkeit von Elektrizität bzw. der Ladepunkte. Die Rahmenbedingungen müssten jetzt politisch angepasst werden. Wessels setzt derzeit drei Fahrzeuge im schweren Güterverkehr ein, die Ladeinfrastruktur auf dem eigenen Gelände werde auch die in diesem Jahr erwarteten drei weiteren Lkw aushalten, für den gesamten Fuhrpark von 80 bis 100 Fahrzeugen sehe er derzeit keine Lademöglichkeit. Die Energieversorger haben derzeit kein Ausbauziel und würden nur auf einzelne Anfragen mit einer Verzögerung von mehr als vier Jahren reagieren. Jachmann bestätigte, dass ihr Unternehmen sich selbst um eine ausreichende Anbindung an die Infrastruktur kümmern muss, da derzeit die Zuleitungen keine umfangreiche Elektrifizierung des Fuhrparks ermöglichen würden. Gburek ging davon aus, dass ein bis zwei Prozent der einzelnen Fuhrparks zeitnah elektrifiziert würde, der Rest würde jedoch deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Bußmann betonte, dass die Politik auch ohne Fördergelder unterstützen könnte, indem Genehmigungsverfahren verkürzt und vereinfacht würden. Wessels machte deutlich, dass politisch auch in Sachen Nutzlast ein weiteres Entgegenkommen nötig sei, um das Mehrgewicht der Akkus zu kompensieren. Geteilter Meinung war das Podium zu Wechselbatterien. Einerseits würde damit ein hoher Effizienzgewinn erzielt, da Batterien auch geladen werden könnten, wenn Lkw in Bewegung sind und gleichzeitig durch Solarenergie viel Strom zur Verfügung steht. Andererseits sei der Besitz an dem jeweiligen Akku unklar, die Verfügbarkeit des dadurch entstehenden Mehrbedarfs an Akkus nicht gegeben. Wessels erwartet, dass ein Erreichen der Emissionsziele zwar immer noch schaffbar, jedoch stetig schwieriger werde, da viele Diskussionen noch nicht abgeschlossen seien. Jachmann hoffte, dass die beschlossenen Mehrinvestitionen in die Infrastruktur auch tatsächlich verbaut werden. Bußmann ging davon aus, dass neue Player den Markt betreten werden, die mit hochautomatisiertem Equipment Leistungen anbieten können, die durch den demografischen Wandel analog operierenden Unternehmen nicht mehr zugänglich sind.

Mit Networking und vertiefenden Gesprächen klang das Forum aus – der Auftakt einer neuen jährlichen Veranstaltungsreihe, die zentrale Themen der Logistikbranche in NRW aufgreift.

 

Über das Kompetenznetz Logistik.NRW
Das Kompetenznetz Logistik.NRW ist die zentrale Plattform zur Vernetzung von Unternehmen, Forschung und Politik im Logistikland NRW. Ziel ist es, die Innovationskraft der Branche zu fördern, den Wissenstransfer zu stärken und praxisnahe Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln.

Über den Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW e. V. (VVWL)
Der VVWL e.V. ist der führende Wirtschaftsverband der Logistik- und Verkehrsbranche in NRW. Er vertritt rund 2.000 Mitgliedsunternehmen gegenüber Politik und Öffentlichkeit und unterstützt sie unter anderem bei Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Der VVWL ist einer der beiden Träger des Kompetenznetzes Logistik.NRW.

Über den Log-IT Club e. V.
Der Log-IT Club ist ebenfalls Träger des Kompetenznetzes und fungiert als Netzwerk- und Innovationsplattform für die Logistikbranche in Nordrhein-Westfalen. Ziel des Vereins ist es, Unternehmen, Wissenschaft und Politik zu vernetzen, digitale Innovationen zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit des Logistikstandorts NRW nachhaltig zu stärken.

Über Timocom
Die Timocom GmbH mit Sitz in Erkrath ist eines der führenden IT- und Datenunternehmen der Logistikbranche in Europa. Mit der Smart Logistics System-Plattform verbindet Timocom täglich über 156.000 Nutzerinnen und Nutzer und treibt die digitale Transformation der Transportlogistik voran.