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NetzwerkForums Stahl 2023 - „Neue Welt“ des Stahls – Mittelstandsperspektiven durch neue Stahllogistikketten?

Das NetzwerkForum Stahl von Kompetenznetz Logistik.NRW und Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen e. V. (VVWL) war am 26. April 2023 der Treffpunkt von über 80 Logistik-Entscheidern aus der Stahlindustrie, dem Stahlhandel und der Stahllogistik-Dienstleistungsbranche in dem Kongresszentrum Westfalenhallen in Dortmund.

In seiner Begrüßung kritisierte Stefan Windgätter, Mitglied des Gesamtvorstandes / Vorsitzender Fachausschuss Stahltransporte und –Logistik im VVWL NRW e. V. / Geschäftsführender Gesellschafter Windgätter & Sohn GmbH die überzogenen Forderungen nach klimaneutralen Transporten; insbesondere fehle es aktuell und auf Sicht an marktreifen und verfügbaren alternativen Antrieben und an der dazugehörigen Infrastruktur. Aus diesen Gründen könne die geplante Verdoppelung der Maut auch keine klimapositive Lenkungswirkung entfalten, sondern verkomme angesichts fehlender Alternativen zum Diesel zu einer reinen Steuererhöhung.

In einer ersten Sequenz ging Dr. Martin Theuringer, Geschäftsführer Wirtschaftsvereinigung Stahl e. V. auf die aktuellen politischen Herausforderungen für die Stahlindustrie ein. Insbesondere stehe die anhaltende Energiekrise im Fokus, die trotz rückläufiger Preisentwicklungen die energieintensiven Industrien für erhebliche Rückgänge des Produktionsindex sorgt. Mit Mengen von unter 40 Mio. t./Jahr ist die Rohstahlproduktion fast auf dem Niveau der Bankenkrise von 2009 angekommen. Mittlerweile hat sich der Anteil Chinas an der Weltstahlnachfrage stabil bei knapp über 50% eingependelt, der Anteil der EU-27 sank seit den 2000er Jahren von rund 20 auf 8%. Hinsichtlich der Transformation werde die Primärstahlindustrie die Erwartungen übertreffen können. So seien beispielsweise bis 2030 rund die Hälfte aller Hochöfen-Kapazitäten auf das wasserstoffbasierte Direktreduktionsverfahren (DRI) umgestellt, voraussichtlich wird durch den Einsatz Wasserstoff in 2030 rund 21 Mio. t. CO2 jährlich eingespart werden können. Allerdings brauche klimaneutrale Stahlproduktion den richtigen politischen Rahmen, der u.a. neben Förderprogrammen klare Leitmärkte für grünen Stahl, wettbewerbsfähige Energiekosten und einen Schutz gegen Carbon-Leakage beinhalte. Im internationalen Vergleich habe die Außenhandelsbilanz in den letzten zehn Jahren 33 Millionen Tonnen verloren, die EU sei zunehmend auf Stahl-Importe angewiesen, wodurch die Gefahr neuer Abhängigkeiten wachse. Nur mit einem entsprechenden Rechtsrahmen seien mit der Transformation Chancen für die deutsche Stahlindustrie verbunden.

In einem Stahl-Talk diskutierten anschließend unter Moderation von Michael Cordes, Redakteur Deutsche Verkehrs-Zeitung, Dr. Martin Theuringer, Oliver Ellermann, Vorstand BDS AG Bundesverband Deutscher Stahlhandel und Dr.-Ing. Suveni Kreimeier vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW zum Thema „Stahl, aktuelle Politik und Märkte. Oliver Ellermann betonte, dass der Lkw der dominierende Verkehrsträger im Handel sei und Transport eine entscheidende Rolle für den Handel spiele, bei dem Dienstleister in der Regel zumindest den eigenen Fuhrpark ergänzten. Der Volumenrückgang der letzten Jahre sei deutlich spürbar. Zwar haben sich die Energiepreise beruhigt, die Einbrüche der Bauindustrie bereiteten jedoch erhebliche Sorgen. Insbesondere bei herkömmlichen Stahlprodukten sei ein Import nicht mehr wegzudenken, allerdings spiele nicht nur bei der Transformation nach den derzeit bekannten globalen Informationen und Planungen vor Allem europäischer und deutscher Stahl eine bedeutende Rolle. Dr. Martin Theuringer machte deutlich, dass neben zahlreichen drängenden Fragen vorrangig die Frage des Industriestrompreises von großer Bedeutung sei und für die Planungssicherheit der Unternehmen zeitnah beantwortet werden müsse. Auch müsse ein Label geschaffen werden, um eine Vergleichbarkeit grünen Stahls hinsichtlich der Umweltbilanz zu schaffen; dies sei eine wichtige Basis um einen Import eigentlich grauen Stahls unter grünem Deckmäntelchen zu vermeiden. Dr.-Ing. Suvenie Kreimeier betonte, dass das NRW-Wirtschaftsministeriums klare Signale an Berlin gesendet habe, dass stromintensive Unternehmen mit einem wettbewerbstauglichen Industriestrompreis unterstützt werden müssten. Mit rund 700 Millionen Euro fördere das Land derzeit die Einführung von DRI-Projekten und der Transformation zum Einsatz von grünem Wasserstoff, allerdings müsse für die Übergangszeit auch nicht-grüner Wasserstoff verwendet werden. Oliver Ellermann richtete einen dringenden Appell an die Landespolitik, hinsichtlich der Straßeninfrastruktur weiter zu beschleunigen und Planungssicherheit zu schaffen. Dr. Martin Theuringer machte dazu deutlich, dass bei allem Wunsch nach liberalen Märkten die Transformation nur im Schulterschluss mit der Politik zu bewältigen sei. Ellermann bekräftigte, dass die Mauterhöhung nicht von den Transportunternehmen getragen werden könne, Dr. Theuringer unterstrich, dass aufgrund mangelnder Alternativen diese Erhöhung nur eine Belastung und kein Steuerungsinstrument darstelle.

Nach einer kleinen Pause befasste sich die zweite Sequenz mit dem Thema Transformation der Stahlindustrie – Neue Warenströme und Logistikketten“. Guido Kerkhoff, Vorsitzender des Vorstandes, Klöckner & Co. SE ging in seinem Impuls einleitend und näher auf die betreffenden Aufgaben und Herausforderungen ein. Mit rund 200.000 Produkten sei es wesentliche Aufgabe eines Händlers wie Klöckner, die Verfügbarkeit und Logistik von Produkten zu beherrschen, Dritte einzubinden und die Handelskette zu digitalisieren. Es sei zu kurz gegriffen, die bestehenden Prozesse nur „grün“ abzubilden. Vielmehr werde durch die Transformation ein Veränderungsprozess angestoßen, bei dem zahlreiche Prozesse wegfallen und neue Verfahren entstehen werden. Hier gelte es, die daraus sich ergebenden Chancen zu nutzen. So sei Stahl und auch Aluminium wesentlich recyclingfähiger als beispielsweise Kohlenstoff-Faser und sei darum schon heute positiver für die Umweltbilanz und nicht effizient durch beispielsweise Beton zu ersetzen. Grüner Stahl werde voraussichtlich die Preise von Endprodukten anheben, die Abnehmer seien jedoch bereits heute bereit, für eine bessere Umweltbilanz einen entsprechenden Preis zu zahlen. Letztendlich sei die Verwendung grünen Stahls in der Produktion einer der günstigsten Wege zur Dekarbonisierung. Auch wenn es derzeit „eher homöopathische Mengen“ grünen Stahls am Markt verfügbar seien, sei eine deutliche Übersicht des CO2-Ausstoßes anhand eines von Klöckner geschaffenen, zertifizierten Labels für die Kundschaft schon heute von großer Bedeutung.

In einem weiteren Talk diskutierten anschließend Guido Kerkhoff, Stefan WindgätterMichael Appelhans, Sprecher der Geschäftsführung Rhenus Port GmbH & Co. KG, und Markus Micken, Head of Logistics Segment Steel Europe, thyssenkrupp Steel Europe über die „neuen Einsatzstoffe, neue Produktionskonzepte und die Folgen in der Beschaffungs- und Distributionslogistik“. Markus Micken betonte, dass es nicht ausreiche, grün zu produzieren, vielmehr sei auch der Modal Split entscheidend für eine klimafreundliche Leistung an die Kunden. Michael Appelhans pflichtete dem bei, so sei beispielsweise nicht nur in Betracht zu ziehen, statt eines dieselbetriebenen einen batterieelektrischen Lkw einzusetzen, vielmehr sei zu prüfen, ob Anteile des Straßentransports auf Bahn oder Binnenschiff verlagerbar seien. Ziel müsse sein, den CO2-Ausstoß annähernd zu neutralisieren. Stefan Windgätter stellte den Fahrermangel als eine der großen Herausforderungen der Transportlogistik dar. Für den stärkeren Einsatz alternativer Antriebstechnologie sei neben der Verfügbarkeit am Markt auch die Planungssicherheit durch feste Verträge mit den Auftraggebern entscheidend. So seien über Laderaumplattformen verkaufte Sendungen kein Anreiz dafür, in zwar klimafreundlichere, dafür jedoch teurere Technologie zu investieren. Markus Micken unterstrich, dass eine Vernetzung mit den Dienstleistern nötig sei, um auch durch eine intelligente Planung der Transportkette die gesteckten Klimaziele realisieren zu können. Hinsichtlich der Grundstruktur der Prozesse würden sich die Verkehrsströme bei einem dekarbonisierten Unternehmen thyssenkrupp Steel Europe „Inbound“ gegenüber heute voraussichtlich wenig verändern. In der Übergangszeit der Transformation würde hingegen wegen dann paralleler Stoffströme die Logistik komplexer. Guido Kerkhoff sieht hingegen, dass sich in Zukunft Transportströme durchaus verändern werden. Neben der Verfügbarkeit werde auch der durch neue Produktionsverfahren veränderte Preise beispielsweise einen stärkeren Import aus Nordamerika wahrscheinlicher machen. Neben einem wettbewerbsfähigen Preis für grünen Strom müsse ein Regelungsrahmen für dessen Verfügbarkeit geklärt sein.