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21. NetzwerkForum Stahl: Stahl und Logistik in Bewegung und Zukunftsperspektiven

Stahl und Logistik in Bewegung und Zukunftsperspektiven

Auch in der Stahllogistik sind bewegte Zeiten angebrochen, so der Transportunternehmer Stefan Windgätter, Vorsitzender des Fachausschuss Stahltransporte und -Logistik sowie Mitglied des Gesamtvorstandes des VVWL NRW e. V., zu den Teilnehmer/innen des NetzwerkForum Stahl in Dortmund. Am 24. Februar hatte schon die Pandemie Vieles verändert. Seit diesem Tage ist noch etwas bislang Unvorstellbares hinzugekommen, ein Krieg in unserer Nachbarschaft! – Er und seine großen Auswirkungen – insbesondere die drastische Verteuerung von Kraftstoffen und Energien - ergänzen unsere aktuellen, sowieso schon großen Herausforderungen „Personalmangel“, Lieferkettenprobleme“, „Materialverfügbarkeiten“, „Abkühlung der Konjunktur in China“ und Folgen der „Pandemie“. Die so gute konjunkturelle Erholung 2021 ist dieses Jahr ins Stottern geraten…“, so Stefan Windgätter zu den über 60 Teilnehmer/innen aus Stahlindustrie, Stahlhandel und -Service sowie Stahllogistik. Enttäuscht zeigt sich Stefan Windgätter vom vorgelegten Vorschlag zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes: „Das kommt zur Unzeit, die Maut soll zusätzlich zu den schon drastisch gestiegenen Kraftstoffkosten erhöht werden. Zudem hebelt die Bundesregierung für die Logistikbranche die Planungs- und Investitionssicherheit aus“, so Stefan Windgätter.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass schon einmal parallel so viele „exogene Schocks“ auf die Stahlbranche und die Wirtschaft eingewirkt haben wie heute“, schildert Dr. Martin Theuringer, Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Stahl e. V., die aktuelle Gemütslage in der Stahlindustrie. Hierzu zählt er die Lieferkettenproblematik, die Kostenexplosion und Verfügbarkeit von Gas, die konjunkturelle Abkühlung in China, die Zinswende in USA und (beginnend) im Euro-Raum, der Angriffskrieg in der Ukraine und damit verbundene wirtschaftliche Sanktionen, die allgemein hohe Unsicherheit sowie – nicht zu vergessen – die Anpassung durch den Klimawandel und die bevorstehende Transformation. Aktuell sei die Stahlbranche bei den Erwartungen wieder auf dem Niveau von Anfang 2020 (erste Phase Corona) angelangt. In den nächsten Monaten werde die Konjunktur spürbar nachlassen, hinsichtlich der wichtigsten Konjunkturprognosen sei schon jetzt eine Halbierung der ursprünglichen Werte festzustellen.

„Die Stahlindustrie steht in den Startlöchern zu einer weitreichenden (energetischen) Transformation“, beschreibt Dr. Martin Theuringer in Sachen Klimawandel die aktuelle Situation. Entscheidungsreife Investitionsprojekte lägen vor, die Zeit dränge und jetzt gelte es, die Voraussetzungen zu schaffen. Untermauert von Zahlen und Berechnungen verdeutlicht Dr. Martin Theuringer die Voraussetzungen und Inhalte einer erfolgreichen Transformation: Erstens sei die Versorgung mit hinreichenden Mengen an grünen Wasserstoff erforderlich, hier gelte es die H2-Versorgungsinfrastruktur zügig aufzubauen. Zweitens seien eine staatliche Anschubfinanzierung und Förderprogramme notwendig, um die Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen, drittens seien Klimaschutzverträge zu schließen. Zudem gelte es – viertens -, Leitmärkte für den (teureren) grünen Stahl zu schaffen, und fünftens Instrumente zum Schutz vor „Carbon Leakage“ (Ersetzung durch nicht-grüne und preiswertere Stahlproduktionsmengen aus Drittländern) zu entwickeln. Schließlich und sechstens seien wettbewerbsfähige Energiekosten sicherzustellen, denn „grüner Strom“ und Wasserstoff sind deutlich teurer.

Dr. Martin Theuringer verweist in diesem Zusammenhang auf die Prognos-Studie „Transformationspfade für die Stahlindustrie in Deutschland“ aus Februar 2022 und die dortigen Berechnungen. Demnach würden z.B. ohne einen wirksamen Carbon Leakage-Schutz die energetische Transformation erst gar nicht in Gange kommen und eine breite De-Industrialisierung drohen (Verlust von 20.000 Arbeitsplätzen und insgesamt 20 Mrd. € Wertschöpfungsverlust in Stahlindustrie und Zulieferbranchen). Ohne einen wirksamen CO2-Grenzausgleich („CBAM“) der EU auch für Exporte würden zudem die Stahlindustrie in der Transformation 20 % ihrer Produktionskapazitäten verlieren und bestünde dann auch keine Exportperspektive mehr.

Auch vor den Hintergrund der Ukraine-Krise forderte Dr. Martin Theuringer die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Gasen, Erdgas habe eine zentrale Rolle für den Hochlauf der Wasserstoff-Anwendungstechnologien und sei auch in den heutigen Produktionsverfahren von großer Bedeutung. Zur aktuellen Diskussion, zur steigenden Energieautarkie auf energieintensive Industrien zu verzichten, verweist Dr. Martin Theuringer darauf, dass Klimaschutz, Versorgungssicherheit und resiliente Wertschöpfungsketten nur mit einer starken Stahlindustrie möglich seien.

Katja Sander, Vice President Metals I, und Christoph Heibach, Leiter Arbeitsgebiet Salzgitter/voestalpine, beide DB Cargo AG, stellten als ein Beispiel für innovative alternative Transportkonzepte und auch Dekarbonisierung den mit dem deutschen Logistikpreis 2021 prämierten „Bayern-Shuttle“ vor. Hier wurde auf der Eisenbahn mit einem innovativen Transportkonzept mittels einem abgebildeten „Stahl-Schrott-Kreislaufs“ im Rhythmus der Industrie ein „Circular-Economy-Konzept“ realisiert. Erfolgsfaktor sei eine komplexe „just in sequenz-Zugbildung“ auf hochfrequentierter Infrastruktur zwischen drei Werksstandorten von Stahlindustrie und Automobilindustrie. Mit diesem innovativen Konzept würden jährlich ca. 500.000 Tonnen Güter in 250 Umläufen pro Jahr mit 100 % Ökostrom und einer Umlaufzeit von 24 Stunden und einer Pünktlichkeit von 93 % bewegt. Inzwischen habe sich bereits eine hohe Nachfrage nach weiteren Lösungen auf dieser logistischen Konzeptbasis ergeben. Als weitere Schritte kündigten Katja Sander und Christoph Heibach das neue Güterwagensystem „M2“ an. Dies besteht aus multifunktionalen Tragwagen mit funktionalen (wechselbaren / kranbaren) Behältern und Aufbauten. Erste Einsätze gerade in der Stahl- & Schrott-Logistik zeigten bereits ein positives Kundenfeedback und viele Vorteile.

In der Diskussion unter Leitung von Michael Cordes, stv. Chefredakteur der Verkehrsrundschau, ging es um eine evtl. Nutzerkonkurrenz von Industrien wie Stahl oder Chemie und dem Logistiksektor um die in Zukunft verfügbaren grünen Wasserstoffmengen sowie um die großen infrastrukturellen Herausforderungen und Kosten auch für den einzelnen Stahl-Transportlogistiker. Bei beiden Themen strahlte Marcus Voelker aus dem Referat VII. 3 klimagerechte Mobilität, Elektromobilität, Lade- und Tankinfrastruktur des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums eher Zuversicht aus: „Es bleibt noch genug für die Logistik und andere Branchen übrig“, so Marcus Voelker. Er benennt das für ihn absolut erreichbare Ziel, „Nordrhein-Westfalen zu einer konzentrierten, stark vernetzten und einzigartigen Wasserstoff-Technologiewirtschaft in Nord-West-Europa zu machen“. Im Einzelnen beschrieb Marcus Voelker  hierzu auch vom Land NRW unterstütze Projekte wie „H2 Steel“, REDERS und HyTruck.NRW einschließlich des von ihm hervorgehobenen Projekts der Einführung von H2-Lkw in der Transportlogistik von VVWL, Kompetenznetz Logistik.NRW, dem deutschen Handelsverband HDI und der Chemischen Industrie (VCI).

Der Markthochlauf für Brennstoffzellenanwendungen im schweren Güterverkehr beginne jetzt, eine TCO-Kostenparität von Wasserstoff und Diesel könne in den nächsten Jahren erreicht werden. Die Förderung der investiven Zusatzkosten in NRW/Deutschland sei im europäischen Vergleich „spitze“ - je mehr Nachfrage desto mehr Kostendegression. Die Vorteile von Wasserstoffbrennstoffzellenanwendungen lägen im einfacheren und günstigeren Infrastrukturaufbau. Parallel gelte es jedoch insb. für den Nah- und Regionalverkehr, auch den E-Lkw und die dortigen Versorgungsinfrastrukturen zu entwickeln.

Interessant für die Gäste des NetzwerkForum Stahl ist zudem, dass der vorgestellte „Bayern-Shuttle“ offenbar kaum von der derzeit schlechten Schienen-Performance in Sachen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit betroffen sei, wie Katja Sander und Christoph Heimbach betonen.

Im zweiten Teil des NetzwerkForums standen in Vorträgen und Diskussion Trends und Umsetzungsstrategien zur Dekarbonisierung von Stahlmärkten und insbesondere der Stahllogistik im Mittelpunkt.

Uwe Wedig, Vorsitzender des Vorstandes der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK), berichtete, dass seine Unternehmensgruppe allein für den Stahlstandort Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) im Duisburger Süden schon heute umweltfreundlich mehrere Mio. Tonnen pro Jahr bewege. Die Erreichung der Klimaziele könne nur mit „sowohl energetische Transformation als auch einer Verkehrsverlagerung“ gelingen. Hierzu würden alle Verkehrsträger benötigt, es gelte die spezifischen Vorteile aller Verkehrsträger zu verknüpfen. Bereits heute würden z.B. große Anteile (jeweils zwischen 50-80 %) der Rohstoffe der Industrie mit Binnenschifffahrt und Eisenbahn transportiert. Für weitere Verlagerungen müsse die Politik auch die Voraussetzungen schaffen. Hierzu zählt Uwe Wedig mehr Mittel für die Instandhaltung und Engpassbeseitigung der Binnenwasserstraßeninfrastrukturen. Die Parallelität einerseits von Investitionen der Schifffahrt in hochmoderne Schiffe und andererseits von veralteten, gefährdeten Infrastrukturen passe nicht zusammen. Große Herausforderungen bei der energetischen Transformation seien die Bereitstellung ausreichender Mengen an „grünem“ Wasserstoff und die Schaffung hinreichender Versorgungsinfrastrukturen. „Bezüglich der Mengen sind viele Importe notwendig, all das geht aber nicht mit einem Federstrich“, so Uwe Wedig. Er beschrieb anschließend die erfolgten und noch geplanten Investitionen von HGK in alternative Schiffsantriebe und neuen Schiffsraum, so hätten alle heutigen Schiffs-Neubauten schon den Status „H2-Ready“. Insgesamt spricht sich Uwe Wedig beim Thema „energetische Transformation“ für eine konzertierte Aktion von Industrie und Logistik aus.

Dr.-Ing. Rosa Peter, Bereichsleiterin Verfahrenstechnik der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH (HKM) stellt das Transformationskonzept für das HKM-Stahlwerk vor, mit einer Kapazität von bis zu 5 Mio. Tonnen immerhin der zweitgrößte Metallurgie-Standort in Deutschland. Die energetische Transformation werde auch starke Veränderungen der Logistikströme dieses Standortes zur Folge haben. Heute besteht der Wareneingang (insgesamt 12,4 Mio. Tonnen) aus Erzen, Kohle und Zuschlagsstoffen wie Schrott und Legierungsmitteln, wovon 9 Mio. Tonnen per Schiff, 2,5 Mio. Tonnen per Eisenbahn und nur 0,9 Mio. Tonnen per Lkw transportiert werden. Im Warenausgang (insgesamt 6,9 Mio. Tonnen und bestehend aus Vormaterial wie Brammen sowie Nebenprodukten wie Schlacken und Hüttensande, Koks) werden 5,1 Mio. Tonnen per Bahn, 1,0 Mio. Tonnen per Schiff und 0,8 Mio. Tonnen per Lkw abgefahren. Das Rohstoffportfolio werde sich bis 2045 stark verändern, aus 2,5 Mio. Tonnen Kohle „werden“ rd. 0,2 Mio. Tonnen Wasserstoff, aus 6 Mio. Tonnen Erz „werden“ 6 Mio. Tonnen DRI-Pellets. So würden dann ab 2027 im Wareneingang insgesamt noch 9,9 Mio. Tonnen transportiert, davon 6,5 Mio. Tonnen per Schiff.

Die energetische Transformation des Stahlstandortes vollzieht sich in 2 zeitlichen Phasen, so Dr.-Ing. Rosa Peter. In der ersten Phase bis 2025 erfolgt die Optimierung der bestehenden Anlagentechnologie, in der daran anschließenden Phase 2 die schrittweise Ablösung der bisherigen Technologie bis hin zu ihrer vollständigen Ablösung. Phase 2 hat folgende Stufen:  Ersatz eines Hochofens durch eine alternative Reduktionstechnologie, schrittweise Ersatz des fossilen Gases durch Gas aus regenerativen Quellen und Ersatz des zweiten Hochofens durch eine alternative Reduktionstechnologie. Sie endet in 2045. Zu diesem Zeitpunkt soll dann eine weitestgehende Klimaneutralität gelten. Bis 2025 sollen die Emissionen bei HKM um 30 % verringert sein.

Auch in und nach der Transformation sei es wichtig, dass der Standort weiterhin sicher mit Rohstoffen, auch Gas, versorgt wird, betont Dr.- Ing. Rosa Peter. Allein für alle Werke am gesamten Stahlstandort Duisburg bestehe z. B. ein Bedarf an ca. 1 Mio. Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Dies bedeute für HKM allein, die CO2-Emissionen um ca. 8 Mio. Tonnen zu reduzieren und eine Wasserstoff-Versorgung über 225.000 Tonnen aufzubauen, was die komplette Transformation der logistischen Anbindung beinhalte. Hierzu beteilige man sich auch an Projekten wie RH2INE und führe Gespräche zur Anbindung einer Wasserstoff-Pipeline-Infrastruktur u. a. mit dem Hafen Rotterdam. Hierbei betont Dr.- Ing. Rosa Peter, dass die Versorgungssicherheit mit Erdgas sichergestellt sein muss, damit die frei gewordenen Erdungsleitungen partiell auf Wasserstoff umgerüstet werden können. Ansonsten entstünden erhebliche Kosten und ein nicht kalkulierbarer Zeitfaktor. Jedes Jahr eines früheren Anschlusses von HKM an eine Wasserstoffleitung erspare etwa 2 Mio. Tonnen CO2.

Thomas Fabian, Director Commercial Vehicles der ACEA, sieht nicht die Verfügbarkeit von Lkw mit alternativen Antrieben sondern eher eine ausreichende Versorgungsinfrastruktur als möglichen Engpass bei der energetischen Transformation im Straßengüterverkehr. Zusammen mit dem Potsdam-Institut für Klimaforschung habe die europäische Nutzfahrzeugindustrie eine „Roadmap to Climate-Neutrality“ erstellt. Bereits 2040 sollen alle verkauften Neu-Lkw dekarbonisiert („fossil free“) sein. Für ein dekarbonisiertes („fossil free“) Straßentransportsystem seien 1. funktionelle, zuverlässige und effiziente Fahrzeuge, 2. eine hinreichende Tankinfrastruktur auch für alternative Antriebe und 3. ein stimmiger politischer Ordnungsrahmen, der die Transformation ermöglicht und anstößt, erforderlich. Das EU-Klima-Paket „Fit for 55“ werde ein „Push“ für die Produktion und den Verkauf „sauberer“ Lkw sein. Ein Wechsel setze aber voraus, dass solche Fahrzeuge gegenüber Diesel-Lkw wirtschaftlich leistbar für den Kunden sind, betonte Thomas Fabian. Er erwarte für 2030 EU-weit mindestens 330.000 BEV oder FCEV-Lkw am Markt (= 25-50 % der Neuzulassungen). Beim ordnungspolitischen Rahmen begrüßt Thomas Fabian den Ansatz eines EU-weiten Emissionshandelssystems (ETS). Hier sei aber eine Balance zwischen Kostenanlastung durch ETS und von der Branche tragbaren Belastungen zu wahren. Bei den Versorgungsinfrastrukturen sei darauf zu achten, dass Lkw deutlich andere Anforderungen an E-Ladestellen oder H2-Tankstellen haben. Eine gemeinsame Initiative von europäischer Automobilindustrie (ACEA) und Transportsektor (IRU) setzt sich hier für mehr „Tempo“ und eine simultane Bereitstellung von alternativ angetriebenen Lkw und Versorgungsinfrastruktur ein.

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