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Handelslogistik in der Transformation: Von Urban Logistics bis Beschaffungslogistik

NetzwerkForum HandelsLogistik.NRW im März 2022:

Beschaffungslogistik als Plattform verstehen. Anstatt Silodenken mehr direkte Kommunikation und Kollaboration.

Urbane Logistik: Die ganze Vielfalt der Stadtlogistik ist zu berücksichtigen - vom Päckchen über palettierte Teilladungen bis zur Baustellenlogistik. Benötigt wird eine verlässliche Infrastruktur auch abseits des Lastenrades.

Wichtige Themen für die Handelslogistik standen im Mittelpunkt des digitalen NetzwerkForums HandelsLogistik mit 50 Experten/innen aus Logistik, Handel und Wirtschaft. Ralf Düster, stv. Vorsitzender des LOG-IT Clubs e.V., des Trägervereins des Kompetenznetzes Logistik.NRW,  wies in seinen Begrüßungsworten neben der großen politischen und menschlichen Betroffenheit über einen „Krieg vor der Haustür“ auf stockende Lieferketten und Vorproduktausfälle durch die Ukraine-Krise hin. Dies bestätigte Dr. Oliver Breiden, Referatsleiter Handel, Dienstleistungen und Logistik im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW. Die Auswirkungen seien auch schon im Straßengüterverkehr auf deutschen Straßen festzustellen, etwa dadurch, dass ukrainische Fahrer gerade in den mittelosteuropäischen Transportfirmen schon jetzt fehlen und dort für Engpässe dann auch auf deutschen internationalen und Kabotage-Märkten sorgten. Daneben hob Dr. Breiden „auch im Namen seiner Hausspitze“ die gute Zusammenarbeit von Kompetenznetz Logistik.NRW und seinem Ministerium gerade in handelslogistischen Fragen hervor.

Die Präsidentin der für das Forum gastgebenden IHK für Essen, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen zu Essen, Frau Jutta Kruft-Lohrengel, berichtete von die Firmen belastenden Unsicherheiten, den enorm gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen und der Ukraine-Krise, dies sich stark stimmungsdämpfend auf die heimische Wirtschaft auswirkten. 80% der befragten Unternehmen im IHK-Bezirk Essen gaben an, von Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen betroffen zu sein. Dies führe zu gesteigertem Planungsaufwand sowie steigenden Kosten und Kontingentierungen und gefährde so die wirtschaftliche Erholung nach den abnehmenden Einschränkungen durch die Pandemie. Auch der Fachkräftemangel belaste zunehmend, ein kleiner Baustein zu seiner Behebung sei hier der gemeinsame Wettbewerb „LogistiKids“ des Kompetenznetzes Logistik.NRW und der nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammern.

„Attraktive Mobilitätsangebote sind so vernetzt, dass sie die Stärken der unterschiedlichen Verkehrsträger kombinieren und damit Menschen und Gütern ein individuelles, flexibles und sauberes Mobilitätsangebot liefern“, so beschrieb Dr. Lars Schulze-Beusingsen, stv. Referatsleiter im Ministerium für Verkehr des Landes NRW, die Ziele des Landes NRW beim Thema „Stadtlogistik“ oder Urbane Logistik. Er stellte in diesem Zusammenhang verschiedene vom Land NRW geförderte Projekte zum Thema Stadtlogistik vor. Hierzu gehörten das inzwischen abgeschlossene Projekt „Entwicklung von Mikrodepots in kleineren Großstädten am Beispiel der Kommunen Krefeld, Mönchengladbach und Neuss“, das laufende Projekt von Fraunhofer IML in Dortmund zur geräuscharmen Logistik und empfohlenen Berechnungsverfahren für schalltechnische Prognosen von geräuscharmen Nutzfahrzeugen oder das Mobilitätskonzept zur Neuordnung der urbanen Logistikströme der Stadt Herne. Zudem wies Dr. Lars Schulze-Beusingsen hin auf das Projekt „SPaCiH – Smart Park City Hub und virtuelle Infrastruktur der Hochschule Niederrhein“. Im letztgenannten Projekt geht es die Einrichtung mehrerer Konsolidierungszentren für urbane Logistikströme am Beispiel des westlichen Ruhrgebiets. Dr. Lars Schulze-Beusingsen wies hin auf noch mehr Möglichkeiten für Projekte im Rahmen der Förderrichtlinie „Vernetzte Mobilität und Mobilitätsmanagement“ des Landes.

Dr.  Christoph Kösters, Manager des Kompetenznetzes Logistik.NRW und Hauptgeschäftsführer VVWL, mahnte für alle aktuellen „politischen“ Ansätze zum Thema Urbane Logistik in Erwiderung auf die Ausführungen von Dr. Lars Schulze-Beusingsen ganzheitliche Ansätze an, die die gesamte Breite und Vielfalt der logistischen Versorgungs- und Entsorgungsströme im Rahmen der urbanen Logistik berücksichtigen. Aktuell werde bei einigen Projekten und auch politischen Überlegungen nur in KEP- und Lastenradlogistik-Dimension gedacht. Fatal sei dies, wenn dann schon entsprechende infrastrukturelle Anpassungen erfolgten. Nur ein geringer Teil der der in der Stadt fahrenden Fahrzeuge liefere aber Pakete aus (lt. Prof. Christoph Tripp, Professor für Distributions- und Handelslogistik an der TH Nürnberg, etwa 2 Prozent). „Ein großer Teil der Lieferungen erfolgt vielmehr mit deutlich größeren Fahrzeugen und auch in deutlich größeren Sendungseinheiten, so Dr. Christoph Kösters. Somit sei eine „urbane Logistik“ ohne Berücksichtigung der „anderen“ Warenströme unvollständig und habe wahrscheinlich kaum signifikante Effekte.

Gerhard Kunkel, Vice President B2B Logistics Fressnapf Logistik GmbH, stellte das neue Konzept der letzten Meile der Fressnapf Gruppe vor. Es werde für 1.800 Filialen (eigene und Franchise) in 11 europäischen Ländern derzeit mit der Realisierung begonnen. „Fressnapf wird vom Versorger zum Umsorger und transformiert gerade vom klassischen Tierbedarfshändler zum Ökosystem“, beschrieb Gerhard Kunkel den Leitgedanken der Systemtransformation. Kernelemente seien die Verschmelzung von stationärer und digitaler Welt, also der beiden Verkaufskanäle, das Handeln in Vertriebsgebieten anstatt von „Stand-Alone-Märkten“ mit neuen Services und das Treiben von Innovationen. Als Chancen der Neuausrichtung sieht Gerhard Kunkel eine größere Kundenzufriedenheit durch schnellere Lieferung und ein angebotenes „Ökosystem“ (z.B. Gutschein für Hundetraining in der Region zusätzlich im Waren-Lieferpaket), die Rolle der 1.800 Filialen als potentielle Läger und damit auch als Cross-Channel-„Enabler“. Hinzu kämen die Reduzierung von CO2 und damit Nachhaltigkeit durch den höheren Einsatz alternativer Transportmittel und die Erhöhung der Auslastung der Transporte an die Märkte, die intensivere Nutzung von Verkaufsflächen in den Städten, auch eine Reduzierung von KEP-Verkehren und optimierte Warenflüsse. Allerdings gäbe es auch Grenzen. Hierzu zählten die Artikeleignung (unterschiedliche Effekte bei „Schnell-Drehern“ oder bei „Langsam-Drehern“), die Herausforderung, dass Verkaufspersonal auch logistische Tätigkeiten durchführen muss, die Bestandsqualität und hier und da ein Spannungsfeld „Wirtschaftlichkeit vs. Kundenzentrierung“.

In der Diskussionsrunde unter Moderation von Kerstin Groß, Vorstandsmitglied des LOG-IT Clubs und Hauptgeschäftsführerin der Industrie und Handelskammer zu Essen, setzten sich die Experten mit Konzepten, Chancen und Grenzen von Urban Logistics und der „Letzten Meile“ der Handelslogistik auseinander.

Dr. Christoph Kösters betonte die Vielfältigkeit der Stadtlogistik vom Päckchen bis zur Baustellenlogistik. Insbesondere in politischen Diskussionen brauche es hier einen breiteren Ansatz, bei dem die Praktiker in die Planungen mit einbezogen werden müssen. Dr. Lars Schulze-Beusingsen unterstrich die Wichtigkeit von Kommunikationsforen begleitet von wissenschaftlicher Basisarbeit. Dabei sei es dem Land NRW wichtig, dass gemeinschaftlich erarbeitete Konzepte auch umgesetzt werden. Gerhard Kunkel betonte, dass es für Unternehmen wichtig ist, neue Konzepte auszuprobieren, wie beispielsweise leise Nachtanlieferungen; dazu sei weniger eine Förderung, sondern vielmehr der Abbau bürokratischer Schranken hilfreich. Lars Purkarthofer, Verbindungsbüro / Public Affairs Germany, United Parcel Service Deutschland S.à r.l. & Co. OHG erläuterte die Herausforderungen neuer urbaner Logistik-Lösungen am Beispiel des Mikrodepots, bei welchem trotz eines weiteren Umbruchs der Sendung die Lieferkette effizient und das Ergebnis aus Sicht des Kunden die gleiche Qualität aufweisen. Gerade bei der Verfügbarkeit von Flächen für beispielsweise Mikrodepots könne die Kommune eine große Vermittlerrolle spielen. Dr. Christoph Kösters merkte dazu an, dass in zahlreichen Kommunen derzeit auch gegenläufige Prozesse, oft aus Gründen der Verkehrslenkung, zu beobachten seien. Urbane Prozesse und die Handelslogistik bräuchten aber eine verlässliche Infrastruktur auch abseits des Lastenrades. Lars Purkarthofer pflichtete ihm bei: „Wirtschaftsverkehr gehört in die Stadtplanung.“ Dr. Lars Schulze-Beusingsen betonte, dass das Land sehr genau hinschaue, wie die einzelnen Kommunen mit Flächenkonkurrenzen umgingen. Der Wunsch nach Veränderung würde dabei in der Regel in Balance mit den Interessen der lokal ansässigen Wirtschaft gelebt.

Dass Digitalisierung eine große Rolle für die Logistik spiele, stand für alle Experten außer Frage. Lars Purkarthofer unterstrich, dass auch in der heutigen Zeit Effizienzgewinne durch Digitalisierung erzielt werden könnten. Gerade das Paketgeschäft mit Endkunden sei durch nicht erfolgreiche Zustellversuche geprägt; hier könne der Empfänger durch digitale Kommunikation zum Regisseur seiner Sendung werden.

Dirk Emmerich, Geschäftsführender Gesellschafter der Log.Go.Motion GmbH, gab für die zweite Sequenz des Forums zum Thema „Beschaffungslogistik 2.0? – Entwicklungen und Herausforderungen“ einen Impuls zu den Folgen des Lieferkettengesetzes für handelslogistische Lieferketten und was Akteure in den Ketten nunmehr zu leisten haben. Hierzu gehörten für Unternehmen ab 3.000 (ab 2023) bzw. 1.000 Mitarbeiter/innen (ab 2024) z.B. im Rahmen der Ablauforganisation Aspekte wie die Durchführung von Risikoanalysen, die Erfüllung laufender Dokumentations- und Berichtspflichten. Er stellte in diesem Zusammenhang anhand des Produkts „moby.check“ vor, wie man digitale Prozesse hierzu selbst erstellen und sicher gestalten kann, um all die Pflichten zu erfüllen. Das Produkt ermögliche die Führung und Begleitung der betroffenen Mitarbeiter/innen sicher durch komplexe Prozesse, die Bereitstellung aller relevanten Daten vor Ort und die vollständige und revisionssichere Dokumentation mit Fotos/Videos. 

Ralf Düster geht im Rahmen des Themas „Beschaffungslogistik 2.0“ davon aus, dass die Globalisierung trotz aller Diskussionen und zweier Jahre voller Disruptionen „bleibt“. In den letzten Monaten seien aber nicht nur logistische sondern auch Informationsflüsse ins Stocken geraten. Er forderte dazu auf, dass die einzelnen Partner in den Lieferketten (wieder) stärker miteinander kommunizieren und mahnte kein „Silodenken“ sondern mehr direkte Kommunikation an.

Andreas Flöter, Director Inbound Logistics & Procurement bei METRO LOGISTICS GERMANY GmbH, sieht ebenfalls die Zeit für einen Paradigmenwechsel gekommen. Die Beschaffungslogistik müsse als Plattform verstanden werden, auf der die verschiedenen Partner anbieten und agieren. Hier entstehe aber die Herausforderung unterschiedlicher Interessenslagen und daraus die Frage, wer möchte sich und seine Prozesse wie stark „öffnen“ und wer trägt die Kosten für die damit verbundene Digitalisierung. Im Unterschied zur Distributionslogistik seien in der Beschaffungslogistik mehrere Partner einzubinden.  „In den letzten 2-3 Jahren haben sich die Logistiker als Problemlöser behauptet. In diesem Zeitraum ist auch eine wachsende Bereitschaft zur Kollaboration und ihre steigende Bedeutung festzustellen“, so Andreas Flöter weiter.

Für Dirk Emmerich ist die Digitalisierung kein Allheilmittel, im Rahmen der Beschaffungslogistik gelte es zu lernen in Netzwerken zu denken. Die Prozessoptimierung sollte als Grundlage von Digitalisierungsprojekten dienen. Er sieht zudem in der Beschaffungslogistik gewisse Trends die bestände näher an den Verbraucher heranzurücken, dies führe zu kürzeren Beschaffungsentfernungen und zu einer besseren Lagerhaltung. Ralf Düster plädiert dafür, bei „Nearshoring-Projekten“ auch die Wettbewerbssituation (Preisdruck) und die Wirtschaftlichkeit zu betrachten.

Moderator Peter Abelmann, Geschäftsführer von LOG-IT Club e.V. dem Trägerverein des Kompetenznetzes Logistik.NRW, fragte abschließend Ralf Düster und Andreas Flöter nach dem Aussehen der Beschaffungslogistik in 5 Jahren. Ralf Düster sieht auch dann eine nicht aufgehaltene Globalisierung der Lieferketten mit digitalisierten Prozessen. Andreas Flöter sieht eine weitaus stärker digitalisierte und kooperativere Beschaffungslogistik.

 

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