Wir ebnen Wege.
Werl. Die Wallfahrtstadt Werl war am 4. Dezember 2015 traditionsgemäß wieder das Ziel der Speditions-, Logistik- und Möbeltransportbranche in Nordrhein-Westfalen. Rund 200 Unternehmer sowie Vertreter aus Verwaltung und Politik fanden sich zum diesjährigen „Nikolaustreffen“ der Landesverbände Spedition + Logistik und Möbelspedition und Logistik im Verband Verkehrswirtschaft und Logistik (VVWL) NRW e. V. in der Stadthalle ein.
Der Vorsitzende des Landesverbandes Spedition + Logistik, Norbert Redemann, ging in seiner gewerbepolitischen Rede auch auf die Flüchtlingssituation und deren Integration in den Arbeitsmarkt ein: „Die Integration in den Arbeitsmarkt geht nicht mal eben so, sondern ist ein Mehrjahresprojekt. Unsere Branche ist bereit, wir suchen Fachkräfte und wollen auch qualifizieren“, so Norbert Redemann. Er wies aber darauf hin, dass hierzu noch auf Behördenseite trotz allen Engagements einiges zu verbessern sei: Viel zu lange Verfahren, komplexe Beteiligungen von zu vielen Stellen, personelle Unterbesetzungen und Regelungen wie die „Vorrangprüfung“ nannte er als Hemmschuh.
Zugleich appellierte Norbert Redemann an Bund und Land, über diesem wichtigen Thema und über der Terrorbekämpfung nicht andere Herausforderungen wie die marode Infrastruktur, die zukunftsfeste Finanzierung der physischen und digitalen Infrastruktur, die Maut und die generellen sozialpolitischen Rahmenbedingungen aus dem Auge zu verlieren. Mit den Mautausweitungsstufen 2015 sei es zu einer deutlichen Kostenbelastung nicht zuletzt im Stückgutverkehr gekommen. Die Abwicklungskosten seien dadurch zwischen einem und 2,6 % gestiegen.
Kritisch zu sehen sei auch die Aushöhlung der Mautharmonisierung durch die faktische Kürzung der Förderprogramme Aus- und Weiterbildung und demnächst auch De-minimis. Norbert Redemann brachte es auf den Punkt: „Das Mautharmonisierungsprogramm mit seinen Förderprogrammen BKF-Ausbildung, De-minimis und Aus- und Weiterbildung dient dazu, deutschen Unternehmen einen Teil der Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Dieser Harmonisierungseffekt geht voll und ganz verloren, wenn zukünftig nur noch Maßnahmen gefördert werden dürfen, die den vom Bundesrechnungshof definierten „Anreizeffekt“ beinhalten.“ Zugleich dankte er den Bundesorganisationen des VVWL, dass im letzten Entwurf der Förderrichtlinie zumindest wieder die Förderung von besonders lärmarmen Reifen gefördert und andere Tatbestände aufgeführt sind.
Nach 90 jährigem Bestehen der ADSp als bereitliegende Geschäftsbedingungen sind die mehr als zweijährigen Verhandlungen zwischen DSLV und der Verladerseite über ihre Fortentwicklung leider nicht zu einem Ergebnis gekommen. Die Interessensgegensätze waren nicht mehr überbrückbar, die Verladervorstellungen insgesamt für den DSLV nicht tragbar.
Das Scheitern der Verhandlungen über die seit 90 Jahren angewandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Branche, den ADSp, bedauerte Norbert Redemann sehr. Die 4 Kernforderungen der verladenden Wirtschaft waren für die Speditionsunternehmen nicht tragbar und wären im Ergebnis auch nicht mehr kalkulierbar (und versicherbar) gewesen. Nach dem Ende der ADSp-Verhandlungen empfahlen die Verlader ihre gemeinsamen Geschäftsbedingungen unter der Bezeichnung „Deutsche Transport- und Lagerbedingungen (DTLB)". Hier gilt der Rat des VVWL: „Hände weg von den DTLB!“ – Der Bundesverband DSLV wird nach heutigem Stand zum 01.01.2016 die sogenannte „ADSp 2016“ veröffentlichen und seinen Mitgliedsbetrieben unverbindlich zur Anwendung empfehlen.
Zudem berichtete Norbert Redemann über die Aktivitäten von VVWL und Logistikcluster NRW beim Nationalen Hafenkonzept und im Zuge der Erarbeitung eines Wasserstraßenverkehrs-, Hafen- und Logistikkonzepts NRW und zur Tarifpolitik, insbesondere zur Tarifeinheit in der Kontraktlogistik im Automotive-Sektor.
Eine feste Position hatte Norbert Redemann auch zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur: „Eine nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung kann sich nicht allein auf Nutzerentgelte berufen. Infrastruktur bleibt auch in Zukunft zu einem großen Teil Daseinsvorsorge. Ihr originärer Auftrag liegt in der Erschließungsfunktion. Infrastruktur ist daher auch in Zukunft maßgeblich durch Steuereinnahmen zu finanzieren, der Lkw kann nicht der alleinige Zahlmeister der Nation werden.“
Jürgen Zantis, Vorsitzender des Landesverbandes Möbelspedition und Logistik im VVWL, stellte zwei Aktivitäten des VVWL in den Mittelpunkt seines Vortrages: Zunächst die schon jahrelangen Aktivitäten des Verbandes gegen unlauteren Wettbewerb in der Umzugsbranche und damit auch unseriöse Angebote für umziehende Bürger. Viele Erfolge konnten in den letzten Jahren und auch in 2015 bereits erzielt werden. Dennoch ist dies ein permanenter Kampf: Die Bearbeitung ist sehr zeitintensiv und erfordert zumeist auch einen langen Atem. Derzeit ist der Verband in 10 Fällen aktiv und konnte aktuell z. B. 3 Abmahnungen durch den Wettbewerbsverein erreichen. Beispiele für unlauteren Wettbewerb sind: Unerlaubte Werbung mit dem Markenzeichen, dem „AMÖ-Känguru“ (AMÖ = Bundesverband Möbelspedition und Logistik), die Durchführung von Umzügen mit Fahrzeugen größer 3,5 t zGM ohne Besitz einer Erlaubnis bzw. EU-Lizenz, die Werbung mit Büro-Standorten, die nicht besetzt sind, oder betrügerische Geschäftsmodelle. An dieser Stelle wies Jürgen Zantis auf die Qualität der Mitgliedsbetriebe des Landesverbandes und wiederum erfolgreiche „Abgrenzungskampagne“ 2015/16 hin, für die aktuell bundesweit 703, davon 217 VVWL-Mitglieder, registriert sind.
„Schon seit einiger Zeit kümmern wir uns um das Thema „Öffentliches Vergabewesen“ und die Fälle von widrigem Ausschreibungs- und Auftragsvergabe-Verhalten von öffentlichen Einrichtungen in diesem Zusammenhang“, so Jürgen Zantis. Im November hat die Bundesregierung den Entwurf einer Vergabeverordnung vorgelegt. Konkret geht es um ungewöhnlich niedrige Angebotspreise. Ein öffentlicher Auftraggeber ist demnach grundsätzlich dazu angehalten, das wirtschaftlich günstigste Angebot anzunehmen. Kann er nicht zweifelsfrei klären, warum ein Angebot ungewöhnlich preisgünstig ist, besteht zukünftig eine rechtliche Grundlage, dieses abzulehnen. Er ist dazu sogar verpflichtet, wenn die Prüfung ergibt, dass durch das Angebot die Mindestlohnverpflichtung oder die Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt werden. Jürgen Zantis kommentierte: „Sofern der Entwurf in der derzeitigen Form verabschiedet wird, kann er maßgeblich dazu beitragen, Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil ordentlich wirtschaftender Unternehmen zu vermeiden. Es gibt damit zukünftig im Rahmen von Vergabeverfahren ein wirksames Instrument, um Lohndumping zu verhindern.“
Auch das Thema „Digitalisierung“ beschäftigt die Möbel- und Umzugsspedition. Dabei geht es auch um die diversen Internet-Umzugsplattformen, die seit einigen Jahren am Markt sind, aktuell durch zwei neue Anbieter Zuwachs erhalten und von der Branche mit sehr gemischten Gefühlen gesehen werden: Movinga.de und movago.com. Mit einem Rahmenvertrag mit der Firma Denkpark GmbH geht der Landesverband hier einen anderen Weg. Das Produkt „MoverScan“ ist gewissermaßen das „digitale Auge des Umzugsunternehmens“ und ermöglicht dem potentiellen Kunden die Eingabe und Aufnahme aller relevanten Informationen und Daten einschließlich Fotografien per Smartphone zur individuellen und datengeschützten Erstellung eines Angebotes durch das Umzugsunternehmen. Dieser muss hierzu nicht vor Ort beim Kunden sein – eine Erleichterung für Kunde und Unternehmen.
Jürgen Zantis berichtete auch über die vielfältigen Aktivitäten der Unternehmen und des Landesverbandes zur Heranziehung eigenen Nachwuchses durch die Ausbildung zur Fachkraft für Möbel-, Küchen-, und Umzugsservice. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Entwicklungen in der Neumöbellogistik, insbesondere die Zukunftsinitiative Möbellogistik (ZimLOG) und die ungebrochene Konzentration im Möbelhandel. Der Internet-Handel im Möbelsektor wächst unaufhaltsam. So verliere der klassische stationäre Möbelhandel jährlich ca. 2,5 % Umsatz an den Internet-Handel. Beides habe Auswirkungen auf die Möbellogistik.
Der Gastredner Andreas Marquardt trug vor zu den aktuellen Entwicklungen auf den Güterverkehrsmärkten „2015 Plus“ vor und konnte einige interessante Hinweise zur Branchenentwicklung geben. Die Aufgaben des Bundesamtes sind vielfältig und für die Branche enorm wichtig: Von Fahrpersonal- und Verkehrsrecht (u. a. Kabotage, Marktzugang, etc.) über Lkw-Maut und Marktbeobachtung, Zivile Notfallvorsorge und Statistiken des Güterverkehrs bis hin zu Mautzuwendungsverfahren (Förderprogramme) - um nur einige zu nennen - spannt sich der Bogen. Naturgemäß ergab sich hieraus einiger Diskussionsbedarf unter den anwesenden Gästen.
Ein besondere Gruß galt auf dem Nikolaustreffen dem Ehrenvorsitzenden des Landesverbandes Spedition + Logistik im BVWL Manfred Boes. Er wurde Ende November 75 Jahre alt. Der Landesverband Spedition + Logistik und der VVWL insgesamt haben Manfred Boes viel zu verdanken. Manfred Boes hat 33 Jahre (!) engagiert und verantwortlich im Vorstand des Landesverbandes Spedition + Logistik zum Wohle der nordrhein-westfälischen Speditions- und Logistikwirtschaft, gewirkt, davon 32 Jahre als Vorsitzender. Hinzu kommen seine Präsidentschaften der Bundesorganisationen BSL und DSLV sowie des Welt-Spediteurverbandes FIATA.
Nach diesen emotionalen Momenten fand das traditionelle Grünkohlessen auf Einladung der Landesverbände Spedition + Logistik und Möbelspedition und Logistik statt.